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Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 15.01.2003
Aktenzeichen: 7 U 97/02
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 249 | |
BGB § 325 | |
BGB § 440 | |
BGB § 947 Abs. 2 a. F. |
2. Zur Berücksichtigung hypothetischer Schadensursachen.
Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil
Verkündet am 15. Januar 2003
In dem Rechtsstreit
hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch die Richterin am Oberlandesgericht ####### als Einzelrichterin auf die mündliche Verhandlung vom 6. Januar 2003 für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 7. März 2002 verkündete Urteil des Einzelrichters der 14. Zivilkammer des Landgerichts Hannover teilweise geändert:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.764,48 € nebst 4 % Zinsen seit dem 22. August 2001 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Beklagte zu 79%, der Kläger zu 21%, die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Beklagten zu 69 %, dem Kläger zu 31 % auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Wert der Beschwer für beide Parteien: unter 20.000 €.
Gründe:
I.
Von der Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil und die Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
II.
Die zulässige Berufung des Klägers hat teilweise Erfolg. Der Kläger kann von dem Beklagten Schadensersatz gemäß den §§ 440 Abs. 1 und Abs. 3, 325 BGB a. F. verlangen, da der Beklagte ihm schuldhaft das aufgrund des Kaufvertrages vom 8. September 1998 über einen Pkw VW Passat Variant geschuldete Eigentum nicht vollständig verschaffen konnte. Lediglich in Höhe eines Teilbetrages von 3.000 DM (= 1.533,87 €) ist die Berufung unbegründet.
1. Das dem Kläger von dem Beklagten verkaufte Fahrzeug ist teilweise aus einem früheren Unfallfahrzeug (Erstzulassung: 18. Februar 1998) FIN WVW#######, das der Beklagte von der Firma ####### Automobile in ####### erworben hatte, sowie aus dem gestohlenen Pkw VW Passat Kombi, FIN WVW####### zusammengebaut worden.
An dem von dem Beklagten aus diesen beiden Fahrzeugen hergestellten neuen Pkw entstand gemäß § 947 Abs. 1 BGB Miteigentum der beiden ursprünglichen Eigentümer der vorgenannten Fahrzeuge VW Passat Variant. Die Voraussetzungen des § 947 Abs. 2 BGB, wonach für den Fall, dass eine der Sachen als die Hauptsache anzusehen ist, deren Eigentümer das Alleineigentum an der neuen Sache erwirbt, liegen nicht vor. Ob eine Sache den Hauptbestandteil der neu entstandenen Sacheinheit bildet, bestimmt sich nach der Verkehrsauschauung (BGHZ 20, 163; KG NJW 1961, 1026). Dabei kommt es weder auf das Wertverhältnis noch z.B. auf die Größenverhältnisse allein an. Entscheidend ist vielmehr, ob die übrigen Bestandteile fehlen können, ohne dass das Wesen der Sache dadurch beeinträchtigt wird (BGH a. a. O.).
Unter Anwendung dieser Grundsätze bildet weder das Unfallfahrzeug, dessen Vorderwagen zur Herstellung des neuen PKW verwendet wurde, noch der Mittelwagen und das Heck des gestohlenen Fahrzeuges die Hauptsache der neuen Sachgesamtheit. Zwar handelt es sich bei dem aus dem Unfallfahrzeug VW Passat, FIN WVW####### entnommenen Motor nebst Aggregaten um wesentliche Teile eines Pkw, gleichwohl führt dies nicht zu der Annahme, dass eben dieser Pkw als Hauptsache des neu hergestellten Fahrzeuges anzusehen ist. Von dem gestohlenen Fahrzeug VW Passat Kombi, FIN WVW####### sind ebenso wesentliche Teile eines Pkw verwendet worden, nämlich unstreitig der gesamte Wagen ab der A-Säule.
Das Wesen eines Kraftfahrzeuges und seine praktische Nutzbarkeit werden nicht maßgeblich entweder nur durch Motor, Elektrik pp., die regelmäßig im vorderen Teil untergebracht sind, oder z.B. durch den Fahrzeugrahmen nebst Achsen und Räder bestimmt. Vielmehr sind die verwendeten Bestandteile beider Fahrzeuge nicht wegzudenken, ohne dass schon nach dem äußeren Bild sowie bezogen auf die Nutzbarkeit das Vorliegen eines Kraftfahrzeuges nicht mehr bejaht werden kann.
Damit bestand an der neu hergestellten Sache zunächst weiterhin Miteigentum der ursprünglichen Eigentümerin des Pkw Passat Kombi FIN WVW####### ####### der der Pkw abhanden gekommen war, später der ####### Versicherung. Dies hat zur Folge, dass insoweit an der neuen Sache weder der Kläger von dem Beklagten vollständig Eigentum verschafft erhalten, noch der Kläger seinem Käufer ####### wirksam Alleineigentum verschaffen konnte, § 935 BGB.
2. Dem Kläger steht mithin grundsätzlich ein Schadensersatzanspruch gegenüber dem Beklagten gemäß §§ 440 Abs. 1 und Abs. 3, 325 BGB a. F. zu.
Dieser Anspruch beläuft sich der Höhe nach jedoch auf lediglich noch 1.764,48 €.
Der Beklagte beruft sich nämlich dem Grunde nach zu Recht darauf, der Kläger sei auch ohne die fehlende Möglichkeit der Verschaffung des Volleigentums an dem PKW im Verhältnis zu seinem (des Klägers) Käufer ####### zur Rückabwicklung des Kaufvertrages vom 12. April 1999 verpflichtet gewesen. Der Kläger hat in diesem Kaufvertrag die Erklärung abgegeben, der PKW sei mit Ausnahme der Erneuerung der Stoßstange hinten unfallfrei. Dies stellte eine Bagatellisierung des ihm aufgrund des Kaufvertrages mit dem Beklagten vom 08. September 1998 (Bl. 95 d. A.) bekannten Umfangs der Vorschädigung dar, die seinerzeit als 'Heckschaden' umschrieben wurde. Unter diesem Begriff wird nach dem allgemeinen Sprachgebrauch nicht nur die Erneuerung der Stoßstange verstanden, sondern ein Ereignis, die dem weitere Karosserieteile im Heckbereich beschädigt worden sind. Danach haftete der Kläger seinem Käufer ####### zusätzlich gemäß §§ 433, 459, 463 BGB a. F. wegen falscher Zusicherung und/oder arglistiger Täuschung (vergl. hierzu Reinking/ Eggert, Der Autokauf, 6. Aufl., Rn. 1881 f.).
Der Kläger ist allerdings von seinem Käufer ####### tatsächlich nicht wegen dieser bagatellisierenden Beschreibung des Heckschadens in Anspruch genommen worden. Dies ergibt sich eindeutig aus dem Schreiben des Bevollmächtigten des Herrn ####### an den Kläger vom 4. April 2000 (Bl. 47 d. A.).
Gleichwohl muss diese hypothetische Anspruchsgrundlage Berücksichtigung finden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes haben lediglich hypothetische Ereignisse, die zu einem späteren Zeitpunkt aus anderem Anlass eingetreten wären und die gleichen Kosten verursacht hätten, außer Betracht zu bleiben (BGHZ 125, 56 ff.). Reserveursachen für den Schadenseintritt können jedoch dann Berücksichtigung finden, wenn sie einer Sache als Schadensanlage im Zeitpunkt der Schädigung bereits innewohnen und binnen kurzem denselben Schaden herbeigeführt hätten.
Die Anfechtbarkeit des Kaufvertrages zwischen dem Kläger und seinem Käufer ####### wegen der Bagatellisierung des Heckschadens wohnte dem Vertragswerk bereits bei Abschluss inne. Es kann auch als sicher davon ausgegangen werden, dass der Käufer ####### diesen Umstand dazu genutzt hätte, Gewährleistungsansprüche gegen den Kläger geltend zu machen.
3. Die Berücksichtigung dieser Reserveursache führt jedoch nicht zu einer völligen Enthaftung des Beklagten. Bestand bei Eintritt des schädigenden Ereignisses bereits eine weitere Schadensanlage, die ebenfalls zu einem Schaden geführt hätte, beschränkt sich die Ersatzpflicht auf die durch den früheren Schadenseintritt bedingten Nachteile (BGHZ 20, 280) oder auf einen durch den konkreten Geschehensablauf verursachten höheren Schaden. Dabei obliegt es dem Schädiger, darzutun und zu beweisen, dass der Schaden in gleicher Weise auch durch die Reserveursache eingetreten wäre (BGHZ 78, 214).
Der Beklagte hat lediglich darauf verwiesen, der Kläger habe aus dem Kaufvertrag vom 12. April 1999 grundsätzlich auch deshalb gehaftet, weil er unrichtige Angaben zur Unfallfreiheit gemacht hat. Hieraus ergibt sich aber nicht, welchen Gewährleistungsanspruch der Käufer ####### gegenüber dem Kläger verfolgt hätte. Möglich ist durchaus, dass er sich mit einer Minderung des Kaufpreises zufrieden gegeben und der Kläger sich in diesem Fall ohne anwaltliche Hilfe damit einverstanden erklärt hätte. Aufgrund der Angaben zu dem tatsächlichen Umfang des Heckschadens schätzt der Senat eine eventuelle Minderung, die der Käufer ####### hätte geltend machen können, auf 3.000 DM.
Unter Berücksichtigung dieses Minderungsbetrages belief sich der Schaden des Klägers, der ihm durch die mangelnde Eigentumsverschaffung entstanden ist zunächst auf 15.951,02 DM,
- nämlich Zahlung von 15.000 DM an Herrn #######
- Zahlung weiterer 700 DM an die ####### Versicherung
- sowie die Rechtsanwaltskosten in Höhe von 3.251,02 DM
- abzüglich der o.g. Minderung von 3.000 DM.
Hiervon sind abzusetzen der Gewinn von 500,00 DM beim Weiterverkauf des Pkw an Herrn ####### sowie der durch
den erneuten Verkauf erzielte Erlös von 12.000,00 DM,
(vergl. Kaufvertrag vom 25. August 2001, Bl. 74 d. A.), ___________
so dass ein Anspruch des Klägers in Höhe von 3.451,02 DM
= 1.764,48 €
verbleibt.
Es ist nicht erkennbar, im Übrigen auch von dem Beklagten etwa nicht behauptet, dass die Zahlungen des Klägers von insgesamt 15.700 DM den Wert des Miteigentumsanteil der Frau ####### bzw. später der ####### überstiegen hätten.
Der Zinsanspruch rechtfertigt sich aus § 291 BGB.
4. Soweit der Kläger durch den Weiterverkauf des Pkw nachträglich 12.000 DM erlöst hat, ist Erledigung der Hauptsache eingetreten, § 91 a ZPO.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 1, 91 a ZPO. Die weiteren Nebenentscheidungen ergeben sich aus den §§ 708 Nr. 10, 713, 543 ZPO i. V. m. § 26 EGZPO.
Ende der Entscheidung
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